Jetzt zu öffnen riskiert Mutationen, gegen die die Impfungen nicht wirken
Deutschland hat zur Zeit bei den Mutationen einen R-Wert über 1 — das heißt die Mutationen verbreiten sich, und sobald sie dominant sind, wird auch der gemittelte R-Wert über 1 liegen.
Wenn wir in dieser Situation öffnen, erleben wir wieder steigende Infektionszahlen, und jede Infektion bringt das Risiko von Mutationen mit sich.
Update Intensivmediziner fordern sofortige Rückkehr in den Lockdown.
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Wir riskieren einen Jahre währenden Lockdown
Da bisher vor allem Gefährdete geimpft sind, aber noch nicht die Hauptüberträger,1 helfen die Impfungen nicht bei der Eindämmung. Dadurch bleiben die Fallzahlen hoch,2 und damit auch die Häufigkeit von Mutationen.3
Sollte dabei eine Mutation entstehen, gegen die die Impfungen nicht wirken (aktuell in Südafrika (mp3) und vielleicht New York),4, 5 hat sie nicht automatisch einen großen Verbreitungsvorteil. Sobald sie aber verbreitet ist, ist unsere Chance vertan, durch strategische Impfung von Hauptüberträgern Infektionsketten zu durchbrechen.
Wenn das passiert, brauchen wir für eine Eindämmung von COVID-19 neue Impfstoffe.6 Und wie wir gesehen haben, braucht alleine die Prüfung dieser Impfstoffe mit all der Organisation gut ein Jahr.
Jetzt zu öffnen riskiert also, dass der Lockdown nicht nur ein paar Monate weitergehen muss, sondern dass er uns bis 2022 oder gar 2023 begleitet, je nachdem, wie gut die Impfstoffforschung vorangeht.
Und das ist Wahnsinn.
Die Schulen jetzt zu öffnen, und es Eltern nur freizustellen, die Kinder zu Hause zu lassen, bedeutet, dass Eltern abwägen müssen, ob ihre Kinder sozial isoliert werden, weil sich unter all denen, die schon wieder in die Schulen gehen, soziale Gruppen bilden, zu denen die eigenen Kinder nicht dazugehören, oder zu riskieren, zur Verbreitung von COVID-19 beizutragen.
Eltern werden gezwungen zwischen dem Wohl ihrer Kinder und dem Wohl der Gesellschaft zu entscheiden.
Und auch das ist Wahnsinn. Der noch davon überboten wird, dass einige Länder sogar die Schulpflicht wieder starten, während zum ersten Mal Kinder und Kleinkinder am stärksten betroffen sind.
Das ist Wahnsinn, der Menschenleben kosten wird,7 wenn er nicht gestoppt wird.
Update 2021-07: Zwischen dem 7. März als ich das hier geschrieben habe und dem 7. Mai sind in Deutschland über 10.000 Menschen gestorben. Über 10.000 Menschen! Es gibt Tage, an denen ich es hasse, Recht zu behalten.
Frau Eisenmann (CDU, Kultusministerium BW),8 Herr Söder (CDU), Herr Laschet (CDU), und all die anderen an der Spitze der Länder, bitte beenden Sie diesen Wahnsinn. Die Wahlen sind zu lang hin, als dass wir Wählenden das jetzt schon selbst in die Hand nehmen könnten.
Bitte achten Sie auf die Warnungen!
Wie verantwortliche Schulöffnungen machbar sind
Wenn die Schulen schnell wieder öffnen sollen,9 müssen vorher alle machbaren Maßnahmen getroffen werden, um das Infektionsrisiko zu minimieren. Als absolutes Minimum sollten in allen Klassenzimmern die am MPI für Chemie entwickelten, günstigen Lüftungsanlagen installiert sein, die das Infektionsrisiko um 90% reduzieren. Um das zu ermöglichen, brauchen Schulen die explizite Erlaubnis des Landes und der Gemeinden — wenn die Gemeinden sie nicht selbst installieren, brauchen Eltern die Erlaubnis, das in die Hand zu nehmen. Es sind aktuell bürokratische Hürden, die das verhindern.
Tests sind gut, schlagen aber erst an, wenn sich die Infektionen bereits verbreiten und von der Schule wieder in die Familien getragen werden, und Tests sind teurer als die Lüftungsanlagen. Tests mit Lüftungsanlagen zu kombinieren bedeutet, dass die Schäden durch dieses zu späte Anschlagen von Tests verringert werden.
Diese Anlagen hätten schon vor Wochen installiert werden sollen. Jetzt sollten zumindest die Schulöffnungen verschoben werden, bis solche Lüftungsanlagen installiert sind.
Update: Es hat lange gedauert, aber am 26. Juli 2021 beschloss der Gemeinderat, dass alle Schulen in Graben-Neudorf mit Luftfiltern ausgestattet werden.
Es ist nicht meine bevorzugte Maßnahme (ich hätte lieber echte Lüftungsanlagen, die auch die Luft austauschen), aber von der Sicherheit her sind beide Systeme wohl ähnlich.
Wenn nichts Großes dazwischenkommt, sollte damit in den Schulen in Graben-Neudorf (zusammen mit den bereits bestehenden Maßnahmen) nach den Sommerferien der Unterricht so sicher sein, wie wir Präsenzunterricht machen können, solange noch nicht klar ist, ob die Impfungen für Kinder sicher sind. Es bleibt ein Restrisiko, v.a. wenn die Erwachsenen wieder zu schnell zu viel öffnen, aber alle durch Organisation in den Schulen vermeidbaren Risiken werden jetzt vermieden.
Vielen, vielen Dank an Alle, die dazu beigetragen haben!
Ich habe selbst schon vor 3 Monaten bei den Schulen der Kinder angefragt, es geht aber erst jetzt voran, nachdem ich mich an den Ortsverband der Grünen gewandt habe, der es dann in den Gemeinderat gebracht hat. Ob wir die Freigabe dafür bekommen, erfahre ich am Dienstag. Zumindest hier im Ort — zur Gemeinde in Bruchsal habe ich keinen Kontakt. Dann bleibt nichtmal eine Woche bis zur Komplettöffnung der Schulen. Vielleicht finden wir genug Helfende über den Förderverein der Schule. Ich hoffe, das klappt.
Pendelnde Kinder brauchen eigentlich noch eine höhere Taktung von Bahnen und Bussen, damit Abstand und Lüften möglich sind, weil Abteile nicht durch erwachsene Pendelnde überfüllt sind. Da sehe ich aber gar keine eigene Handhabe. Dafür brauche ich verantwortungsvolle Landespolitik.
Um die trotz all der Maßnahmen unvermeidbar kommende erhöhte Verbreitung von Corona durch die stärkeren Kontakte bei Schulöffnungen zu kompensieren, müssen wir zwingend in anderen Bereichen stärker Kontakte begrenzen. Ich bin seit Frühjahr 2020 im Homeoffice. Ich weiß, dass das nicht für alle geht.
Bei allen aber, die Homeoffice machen könnten und nur wegen fehlender technischer Ausstattung, bürokratischen Hürden oder Angst der Führungsebene vor den eigenen Mitarbeitern nicht ins Homeoffice dürfen — gerade in öffentlichen Einrichtungen — darf es jetzt keine weiteren Blockaden geben. Dort muss jetzt Homeoffice für die überwiegende Mehrheit ermöglicht werden (Postfächer zu leeren u.ä. mag noch nötig sein, aber dafür müssen nur wenige da sein), und sie müssen dazu ermutigt werden, Möglichkeiten zu Homeoffice auch wirklich wahrzunehmen.
Zusammenfassung
- Jetzt zu öffnen riskiert einen Lockdown bis 2022 durch Impfresistente Mutationen
- Wir brauchen Lüftungsanlagen für alle Schulen, bevor wir Schulen öffnen
- Wir brauchen höhere Taktung der Bahnen für pendelnde Schulkinder
- Homeoffice muss noch mehr ausgeweitet werden
Fußnoten:
Hauptüberträger sind diejenigen, die zu vielen anderen Kontakt haben. Im Einzelhandel, in Heilberufen, in der Pflege und in der Gastronomie Tätige, wie auch andere mit viel Kundenkontakt, Pendelnde, Leute in Großraumbüros, u.ä..
Und bei vielen Fällen werden auch viele Leute Langzeitfolgen haben („Long Covid“), beschrieben z.B. in Jung und Krank nach Corona (Monitor auf youtube) und Was wir über Langzeitfolgen von Covid-19 wissen (Deutschlandfunk).
Da das Virus noch lange nicht endemisch ist, besteht das Risiko, dass tödlichere und sich schneller verbreitende Mutationen dominant werden. (das britische B.1.1.7 58 Prozent tödlicher bis 64 Prozent tödlicher als frühere Coronavirus-Varianten, einer unter Fünfzehn zwischen 70 und 85 stirbt daran)
„Impft man in eine Bevölkerung hinein, in der viel Virus zirkuliert, gerät das Virus unter Druck. Es wächst die Gefahr, dass weitere Mutanten entstehen, noch unangenehmere als die britische, brasilianische, südafrikanische Variante. …“ — Jakob Simmank, Corinna Schöps und Zacharias Zacharakis in der Zeit.
Wenn es noch schlimmer kommt, wird Corona so impfresistent wie Influenza, aber mit der zehnfachen Todesrate und heftigeren Spätfolgen. Da Corona noch lange nicht endemisch ist, können die Mutationen es auch tödlicher machen. Und Impfresistenz und gesteigerte Tödlichkeit könnten zusammen auftreten. Wir brauchen endlich wirksame Eindämmung.
Zusätzlich zum lange dauernden Lockdown und Todesfällen bedeuten hohe Infektionszahlen auch weitverbreitete schwere Spätfolgen, nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder.
In Baden-Württemberg sind die Wahlen gerade einen Tag vor den Schulöffnungen, das reicht nicht für eine rechtzeitige Kurskorrektur nach der Wahl.
Es gibt gute Gründe, Schulen schnell zu öffnen. Kindern fehlen ohne Schule soziale Kontakte, im Fernunterricht fehlt der direkte Kontakt zu den Lehrkräften, Eltern werden doppelt belastet — wer Homeoffice mit Kindern zu Hause macht, weiß, wie schwer beides vereinbar ist — und Kindern, in deren Elternhaus es Probleme gibt, fehlt die Unterstützung der Schule besonders. Gleichzeitig erhöht die Überlastung der Eltern die Wahrscheinlichkeit von Problemen auch in Elternhäusern, die vor Corona harmonisch waren. Falls ihr merkt, dass ihr euren Grenzen näher kommt, möchte ich euch die Videos von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie vom Mai 2020 empfehlen. Sie sind gut gemacht und haben uns ein Stückweit geholfen.